Wattenmeer-Schutz Cuxhaven
Wattenmeer-Schutz Cuxhaven

WRRL-Verschlechterungsverbot

Tanja Schlampp, 25.08.2021

 

Wir blicken zurück in das Jahr 2000. Ein bedeutendes Jahr. Die 8. Elbvertiefung wurde gerade beendet. Seitdem verschlickt der Hamburger Hafen zunehmend und in Folge dessen hat es eine Änderung der Umlagerungspraxis gegeben, die sich auf unser Küstengewässer und auf unser Wattenmeer gravierend auswirkt. Im gleichen Jahr wurde die Wasserrahmenrichtlinie für alle Länder der europäischen Union verbindend eingeführt. Sie beeinhaltet grundlegende Veränderungen bei der Bewirtschaftung der Gewässer. Die ökologischen Belange, wie die Erhaltung und Verbesserung der Artenvielfalt stehen dabei im Vordergrund.

Die veränderte Umlagerungspraxis, die seit 2005 umgesetzt wird, hat dazu geführt, dass immer mehr belasterter Schlick das sauerstoffreiche Gewässer der Außenelbe Nord verunreinigt. Zu der Außenelbe Nord zählen die Bereiche Kugelbake, Zehnerloch/Spitzsand, Norderrinne, Neuwerk, Scharhörn und Neuer Lüchtergrund. 

Das Chart stammt aus meinem Vortrag vom 21. August 2021 im Bali-Kino Cuxhaven. Dort trafen sich 10 Referenten zum Thema

"Die Elbe nach der 9. Vertiefung - Ist der Lebensraum Elbe noch zu retten?"

Während man vor der veränderten Umlagerungsstrategie nur wenige Zehntausend Kubikmeter sandiges Sediment mit gleicher Hintergrundbelastung umgelagert hat, landeten seit der 8. Elbvertiefung bereits rund 140 Millionen Kubikmeter belasteter Baggerschlick aus der Fahrrinnenunterhaltung in der Außenelbe. Im letzten Jahr waren es allein 7 Mio. Kubikmeter Baggerschlick. Baggerschiffe gehören mittlerweile zum vertrauten Bild, wenn man über den Deich blickt.

Wie passt die Veränderung der Unterhaltungsstrategie mit den Zielen der WRRL zusammen, zu deren Einhaltung sich Deutschland verpflichtet hat? Für alle Gewässer soll ein ökologisch UND chemisch guter Zustand bis zum Jahr 2015, spätestens bis 2027 erreicht werden. Es ist zu verhindern, dass sich der Zustand verschlechtert und dass das Erreichen des guten Zustandes behindert wird. Hierfür sind drei Bewirtschaftungszeiträume von je 6 Jahren vorgesehen, in denen Maßnahmen geplant und durchgeführt werden, um die Ziele der WRRL zu erreichen. Wir befinden uns aktuell im letzten Zyklus zur Zielerreichung. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wurde durch das Wasserhaushaltsgesetz in nationales Recht umgesetzt.

Die entscheidende Frage ist, wann ist eine Maßnahme geeignet, das Verschlechterungsverbot zu verletzen? Dafür bedient man sich sogenannter Qualitätskomponenten. Für die Außenelbe Nord ist es das Phytoplankton und die Benthische Wirbellose Fauna. Phytoplankton, hierzu zählen z.B. Kieselalgen, Grünalgen und dergleichen. Das Phytoplankton bildet die Basis in der Nahrungspyramide und ist für die Produktion eines Großteils des Sauerstoffs in der Atmosphäre verantwortlich. Ebenso bedeutend für das Gesamtgefüge ist die benthische Wirbellose Fauna. Hierzu zählen, Muscheln, Krebse, Wattwürmer und Co., also all jene Organismen, die eine wichtige Reinigungsfunktion im Ökosystem übernehmen, ähnlich wie im menschlichen Körper die Leber, die Niere und die Lunge.

Der ökologische Zustand der Außenelbe Nord befindet sich im Bewertungsjahr des 1. Zyklus aufgrund des unbefriedigenden Zustands des Phytoplankton in der vorniedrigsten Klasse. Die Unterbringung von nährstoffbelasteten Baggergut ist geeignet, die Eutrophierung, welche für den unbefriedigenden Zustand verantwortlich ist, weiter zu befördern, so daß ein Abrutschen in die niedrigste Stufe droht.

Und so ist es auch gekommen. Der ökologische Zustand der Außenelbe Nord hat sich zwischen 2009 und 2015 um eine ganze Stufe verschlechtert. Das Verschlechterungsverbot der WRRL wurde verletzt. 

Spätestens zu Beginn des nächsten Zyklus hätte man die Ursachen benennen und die Umlagerungen sofort stoppen müssen. Wie haben Bund und Länder reagiert? Es wurde weiter verklappt und seit 2018 darf mit Einvernehmen Niedersachsens sogar ökotoxischer Schlick aus Wedel in der Außenelbe verklappt werden. Die 9. Elbvertiefung wurde umgesetzt und das Verklappungsgebiet wurde auf 400 Hektar erweitert. Die Fläche ist übrigens artenreich mit der benthisches wirbellosen Fauna besiedelt, die sich bis dato noch in einem sehr guten Zustand befindet.

Das Ergebnis sehen wir zu Beginn des 3. Bewirtschaftungszyklus. Der Zustand der Benthischen Wirbellosen Fauna hat sich um eine Stufe verschlechtert. Bewertungsrelevant für die benthische wirbellose Fauna sind verschiedene Faktoren wie die Struktur des Meeresbodens, die nicht wesentlich verändert werden darf, denn im sandigem Sediment leben andere Benthosgemeinschaften als im Schlick. Auch die Sedimentüberdeckung oder die schwebstoffbedingte Beeinflussung von Filtrierleistung der Organismen können sich gravierend auf die Populationen auswirken.

Für uns alle bot sich im letzten Jahr ein trauriges Bild, als Millionen toter Herzmuscheln an die Küste gespült worden sind. Auch zahlreiche toter Sandkrabben und Wattwürmer waren überall auf dem Wattboden zu sehen.

 

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat das WSA schon 2008 in ihrer 1. Systemstudie über die Auswirkungen der Umlagerungen in Kenntnis gesetzt:

 

„Die ökotoxikologische Belastung des Sediments wirkt sich direkt auf die Fitness der Makrozoobenthosorganismen aus. TBT, welches in hohen Konzentrationen im Wedeler Baggergut vorhanden ist, wirkt sich auf die Fortplanzungsfähigkeit der Organismen aus. Bei einer Verbringung von Wedeler Baggergut in die Außenelbe ist eine Schädigung der Fauna nicht auszuschließen.“

 

… und gab die Empfehlung:

 

„Hinsichtlich der Schadstoff- und der ökotoxikologischen Belastungen sollte das Baggergut ... in Bereiche mit ähnlicher Vorbelastung umgelagert werden. So kann die weiträumige Verteilung belasteter Feinsedimente und die Verschlechterung der Sedimentqualität in bisher wenig belasteten Bereichen möglichst gering gehalten werden. Treten als Folge einer Verdriftung ... negative Effekte auf Biota auf, so lassen sich die belasteten Sedimente nicht mehr aus den Watten und der Deutschen Bucht entfernen.“

Auch der chemische Zustand hat sich verschlechtert. Hierbei unterscheidet man zwei Stufen „gut“ und „nicht gut“. Das Ziel der WRRL alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen wurde nicht erfüllt, sondern im Gegenteil es wurde ein sauberes Gewässer so massiv verunreinigt, dass die Gewässerqualität in 2021 als „nicht gut“ eingestuft worden ist. Wie konnte es dazu kommen? Abgesehen davon, dass auch in einem sehr großen und dynamischen Wasserkörper wie die Außenelbe Nord, ein permanenter Schadstoffeintrag irgendwann messbar wird, kommt noch eine weitere dramatische Fehlentscheidung hinzu. In 2018 hat die Niedersächsische Landesregierung erstmalig ihr Einvernehmen gegeben, dass auch der ökotoxische Schlick aus Wedel, in der Außenelbe entsorgt werden darf. Der Schlick ist ähnlich toxisch wie der Hamburger Hafenschlick und soll nur in absoluten Ausnahmejahren, nämlich dann wenn die Elbe wenig Wasser führt, in die Außenelbe verklappt werden. Was als Ausnahme angedacht war, ist bereits die Regel und so wurde seit der ersten Verklappung des toxischen Schlicks 2018, auch 2019 und 2020 die Ausnahmesituation voll in Anspruch genommen.

Das Traurige ist, dass die Umlagerungen auch im letzten Bewirtschaftungszyklus nicht als Ursache aufgeführt werden. Das Niedersächsische Umweltministerium und seine Behörde verschieben daher die Aussicht auf einen guten Zustand der Außenelbe in die ferne Zukunft weit nach 2027.

Dabei wäre es so einfach. Hierzu ein Zitat der BfG aus dem Jahr 2008:

 

„Das kurzfristige Ziel, eine Zunahme der Belastungen zu vermeiden, ist am ehesten durch die Aufgabe der Umlagerung der belasteten Feinanteile des Baggerguts zu erreichen. … Dem langfristigen Ziel, die Belastungen zu verringern bzw. natürliche Hintergrundbelastungen zu erreichen, kann man sich nur durch die Einstellung der Schadstoffeinträge in das Ästuar nähern.“

 

Abschließend bleibt eigentlich nur festzustellen, dass Deutschland die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für die Außenelbe Nord zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verfolgt hat.

Quellen:

  • Bundesanstalt für Gewässerkunde 2008, Systemstudie I, Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, eine Untersuchung  im Auftrag vom WSA Cuxhaven
  • FGG Elbe
  • WasserBlick
  • NLWKN
  • Niedersächsisches Umweltministerium

Kontakt

Tanja Schlampp 

Döser Feldweg 195

27476 Cuxhaven

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email: Tanja.Schlampp@wattenmeer-schutz.de

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